Nach positiver Absolvierung der Lehrveranstaltung sind Studierende in der Lage, eine wissenschaftliche Fragestellung zu einem vorgegebenen Thema zu formulieren und diese gestützt auf empirisches Datenmaterial (Texte, Interviews, Bilder) im Rahmen einer schriftlichen Arbeit zu bearbeiten. Sie machen erste Erfahrungen und erwerben Kompetenzen im Bereich der sozialwissenschaftlichen Wohn(bau)forschung, sie werden mit dem soziologischen Handwerk vertraut gemacht (lernen Beobachtungsprotokolle anzufertigen, Interviews zu führen und verschiedenes Datenmaterial zu interpretieren) und erwerben wissenschaftliche Schreibkompetenz.
Im Rahmen des Seminars wird ein kleines empirisches Projekt mit Architekturbezug durchgeführt. Dabei können Praktiken (der Aneignung und Nutzung, Planung und werblichen Darstellung von Wohnraum, der Wohnungssuche, Bild- und Wertproduktion etc.) im Vordergrund stehen, oder auch Haltungen, Wahrnehmungen und Zuschreibungen verschiedener Akteure*innen (etwa Architekten*innen, Nutzer*innen, Bauträger, Hausverwaltungenetc.). Die Daten werden entweder von den Studierenden selbst erhoben (etwa in Form von Interviews, Bildern, Beobachtungsprotokolle), und/oder es wird vorfindliches Material (Werbung, Websites, Hausordnungen, Artikel aus der Tagespresse etc.) herangezogen. Im Zentrum steht immer die gemeinsame Interpretation von selbst erhobenen oder gesammelten Daten – zu einem Thema bzw. sozialen Phänomen, das zu untersuchen für angehende Planer*innen relevant ist. Die Themen wechseln von Semester zu Semester.
Im Sommersemester 2022 beschäftigen wir uns mit dem Thema:
*** Gemeinschafts(t)räume im Wiener Wohnbau ***
Einführung: Di. 8. März 16:00 Uhr
Termine: wöchentlich Dienstag 16:00 – 18:30
Ort: Seminarraum AC0440, Hauptgebäude Karlsplatz 13, 4. Stock
Das Seminar wird in Verbindung mit einer Exkursion (2h, 2 ECTS) abgehalten.
Das Interesse für Gemeinschaftsräume kommt nicht von ungefähr – der aktuelle Diskurs um neue Gemeinschaftswohnformen („Co-Living“, „kollektives urbanes Wohnen“ etc.), aber auch das wohnungspolitische Ziel des „Wohnens in Gemeinschaft“ drängt eine vertiefende Beschäftigung mit neuen Formen von 'shared spaces' geradezu auf. Dem gesellschaftsdiagnostischen Befund einer „Wiederkehr der Gemeinschaft in der Spätmoderne“ (Rosa et al. 2010) wollen wir empirisch mit Fallstudien zur Nutzung von Gemeinschaftsräumen nachgehen. Wir wollen wissen, wieviel Gemeinschaft wirklich in Gemeinschaftsräumen steckt. Was von wem unter Gemeinschaft verstanden wird, wie (durch welche Praktiken und Interaktionen) sie hergestellt wird, welche Vorstellungen Seitens der Planer*innen (und auch Bauträger) damit verbunden sind – und inwieweit sich deren Idealvorstellungen in der Wohnpraxis realisieren.
Um das herauszufinden, werden wir einzelne Wohnhausanlagen in Wien genauer unter die Lupe nehmen. Nachdem es auch ein Ziel der Lehrveranstaltung ist, die historisch-kulturelle Entwicklung der Gemeinschaftsräume in ihrer Form und Funktion vor Augen zu haben (vom Superblock des „Roten Wien“ bis zum Wohnturm von heute), werden wir in einem ersten Schritt nicht nur verschiedene Klassen von Gemeinschaftsräumen unterscheiden, sondern auch den Wohnungsbestand im historischen Längsschnitt nach Typen differenzieren. Nach einer ersten mit Besichtigungsarbeit verknüpften Übersicht werden wir gezielt Beispiele aus dem kommunalen und geförderten Wohnhausbestand für Fallanalysen auswählen. Die in kleinen Teams durchzuführende Feldarbeit wird durch gemeinsame mehrstündige Exkursionen (etwa zum Karl-Marx-Hof, in die Wiesn Süd, Sonnwendviertel oder Seestadt Aspern) ergänzt. Die praktische Forschungsarbeit wird mit theoretischem Input gestützt. Bei der Auseinandersetzung mit zentralen Begriffen (etwa Gemeinschaft, Gesellschaft, soziale Infrastruktur, Nachbarschaft) werden wir auf die soziologische Theorie (Tönnies, Durkheim, Rosa, Siebel) zurückgreifen.
Qualitative Methoden der Sozialforschung; Feldforschung, (teilnehmende) Beobachtung, Befragung, verschiedenen Formen von Interview, Gruppendiskussion, Bildanalyse, Diskursanalyse.