Nach positiver Absolvierung der Lehrveranstaltung sind Studierende in der Lage komplexe Entwurfsaufgaben aus dem Fachgebiet des Städtebaus eigenständig, systematisch und mit originärem, zeitgemäßen Entwurfsansatz auf der Grundlage einer präzisen gestalterischen Sprache zu bearbeiten. Sie haben die Kompetenz, Handlungsfelder im urbanen Kontext zu erkennen und entsprechende städtebauliche Lösungsansätze zu entwickeln. Die Studierenden können eigenverantwortliche Recherchen und themen-bezogene Grundlagen erheben. Sie sind in der Lage, Entwurfskonzepte zu erstellen und diese in Form von Strategie- Entwurfs- und Detailplänen umfassend darzustellen und zu präsentieren.
Sarajevo oder Looking for Walter
Osmanischer Kern, gründerzeitliche und modernistische Erweiterung, Olympia 84, Belagerung der 90er Jahre, Friedensabkommen von Dayton. Sarajevo ist heute, als junge Hauptstadt eines nahezu unregierbaren Staatsgebildes, gleichzeitig Stillstand und Krisenherd. Die in der Verfassung festgeschriebene ethnische Teilung bildet idealen Nährboden für völkisch-nationalistischen Populismus. Der Konflikt wird in politischen Debatten künstlich hoch gehalten um von tatsächlichen Problemen des Landes abzulenken: Sarajevo hat mitunter die höchste Luftverschmutzung Europas, Wasserrestriktionen gehören zur Tagesordnung und Gehälter können nicht fristgerecht überwiesen werden. Zudem geben die generell schlechte Wirtschaftslage, Braindrain, ein veraltetes Bildungssystem und eine Jugendarbeitslosenrate von fast 60% der post-Konflikt Generation wenig Perspektiven für die Zukunft.
Währenddessen scheint Sarajevo zu warten. Auf die EU oder auf Walter*.
Dabei verstehen es die Bewohner von Sarajevo gerade in scheinbar ausweglosen Situationen Humor, Geist und Haltung zu bewahren. Während der Belagerung wurden im Nationaltheater Stücke aufgeführt, ein Filmfestival wurde ins Leben gerufen und die Idee für ein einzigartiges Museum für zeitgenössische Kunst ist entstanden. Politischen und religiösen Extremen oder Debatten zur endgültigen Spaltung des Landes zum Trotz ist die Stadt nach wie vor stolz auf ihre Multikulturalität. Das Zusammenleben hat sich über Jahrhunderte bewährt und man habe sich schließlich aneinander gewöhnt. Nicht zuletzt hat dieses Zusammenleben neben kulturellem Reichtum auch eine beeindruckende Architekturlandschaft aus osmanischen Bauten, Gründerzeit und einzigartiger Moderne geschaffen, die sich im Tal erstreckt und von unzähligen roten Ziegeldächern rundum umfasst wird. Selbst Großprojekte ausländischer Investoren der jüngsten Zeit, die in ihrem Maßstab, ihrer Funktion und Lage eindeutige städtebauliche Fehlpositionierungen sind, können dieses Stadtbild - noch - nicht zerstören.
* Ein Synonym für den Widerstand des multikulturellen Sarajevos aus dem Film ‚Walter defends Sarajevo‘ von Hajrudin Krvavac, YU 1972.
Um diese komplexen Denkmuster und räumlichen Besonderheiten erst lesbar zu machen, werden im Entwerfen zunächst kartographische Schnitte durch die Stadt gelegt. Ein Katalog an konkreten und aktuellen Themen soll die derzeitige Situation pragmatisch, aber reflektiert, offenlegen. Durch Überzeichnen von Tendenzen, Überlagerungen, Darstellen von Kontinuitäten und Diskontinuitäten werden mittels objektiver und subjektiver Karten neue Bilder und Perspektiven in den Köpfen erstellt. Die Grundlage bildet dabei die typologische und morphologische Auseinandersetzung der gesamten Stadtstruktur mit einem hohen Stellenwert für Grafik und Darstellung im städtebaulichen Kontext.
Aufbauend auf den Erkenntnissen der Analyse werden schließlich konkrete Szenarien erstellt und neue Narrative entwickelt. Eine gemeinsam verfolgte Strategie will versuchen Antworten zu liefern, wie das Sarajevo der nächsten Generation sein will und welche Maßnahmen aus planerischer Sicht dafür erforderlich sind.
Änderungen in der LVA aufgrund der Corona-Pandemie (Stand 21.3.2020)
Die Betreuungstermine finden bis auf Weiteres Donnerstags und Freitags über Videokonferenz statt. Alle Inhalte sind im tuwel-Kurs 260.593-2020S zu finden. Alle weiteren Anfragen bitte per E-Mail an nela.kadic@tuwien.ac.at.