Nach positiver Absolvierung der Lehrveranstaltung sind Studierende in der Lage, sich in einer großen Fülle an Werken aus verschiedenen Disziplinen zu orientieren. Sie lernen Methoden, um sich Werken der Bildenden Kunst, Wissenschaft und Literatur zu nähern, fruchtbare Verbindungen herzustellen und das Denken in ungewohnten Strukturen zu üben. Das Seminar richtet sich an Studierende, die verschiedene architektonische Schreibformen und -formate erkunden wollen: Dialogisches Schreiben, Lyrik, Reisebuch, und Enzyklopädie. Der Inhalt des Seminars soll die Studierenden dazu motivieren, sich mit Architektur in einer anderen Art von Maßstäben auseinanderzusetzen. Wir wollen uns mit nicht-linearem Denken vertraut machen, das orbital, diskursiv und labyrinthisch ist.
Das Wort Enzyklopädie, „enzyklos paideia", verweist auf den Kreis, den Umkreis des Wissens. Das Seminar zielt darauf ab, dieses Umkreisen zu zelebrieren, indem wir uns in einem Bereich bewegen, für den die Künstliche Intelligenz nicht trainiert ist: in den Schleifen der Gedanken zu verweilen. Wir werden im Motiv des Labyrinthischen als Verkörperung des kreisförmigen Denkens denken und schreiben. Die Bewegung ergibt sich aus der Annäherung an eine Elementarfigur, einer „Wolke”, „Wind” oder „Schnee”, deren Wesen kulturell begriffen, aber im Grunde nicht greifbar ist. Sie ist beeinflusst von kosmologischen Bedingungen und in ständiger Zirkulierung. Innerhalb des Labyrinthischen werden wir uns diesen Elementen vertraut machen. Die Architektur der Bewegung wird dabei durch Impulse ausgewählter Werke animiert, von Essays aus der Reihe Labyrinths. Selected Stories & Other Writings (1964) von Jorge Luis Borges bis zu Gemälden von Kay Sage, Joán Miró und Paul Klee. Diese werden durch die Optik der gewählten Elementarfigur befragt. Jeder Punkt wird als Ausgangspunkt für weitere Verzweigungen verstanden, die parallele und manchmal konvergierende Realitäten konstruieren, ganz im Sinne Borges’. Innerhalb eines Findlingsgedichts werden die einzigartigen Eigenschaften der Elementarfigur artikuliert, ohne sie letztlich zu definieren oder abzugrenzen. Innerhalb eines Reisebuchs werden die Studierenden die Erfahrungen entschlüsseln und die Lesenden durch ihr Labyrinth führen. Die Umkreisungen werden immer größer, je vertrauter wir mit den gegenstrebenden Elementen werden. Im vierten Zyklus werden wir gemeinsam an einer architektonischen Enzyklopädie arbeiten, die die kosmologischen Erfahrungen in eine Architektur eines anderen Maßstabs übersetzt, in Anlehnung an Junya Ishigamis Buch Another Scale of Architecture (2019). In diesem Abschnitt testen wir aus, wie individuelle Beobachtungen aus einem scheinbar fremden Themenfeld in Behauptungen und absurd relevante Fragestellungen für die Architektur überführt werden können. Was kann sie von den Wolken lernen in Hinblick auf ihre Formulierung von Grenzen? Wie sähe eine Architektur aus, die die Kraft des Windes in ihre Struktur inkorporieren würde? Wir werden darüber reflektieren, wie Konzepte, die in anderen Skalen Gültigkeit besitzen, unser Verständnis von architektonischen Raumerfahrungen und Grenzen verändern könnten. Die Methodik des Labyrinths dient dazu, eine Enzyklopädie für ganzheitlich zirkulierendes Entwerfen zu denken.
Das Seminar gliedert sich in vier aufeinander aufbauenden Zyklen unterschiedlichen Formats. Das Schreiben wird die Bewegung durch das Labyrinth verkörpern: mäandern, sich drehen, in Sackgassen verweilen, es sich in den Räumen nie zu bequem machen und immer in Bewegung bleiben, einschließlich Wiederholungen von Bewegungen, der Formulierung eines Refrains. Durch das räumliche Schreiben prägt sich dieses Denken ein. Jede Sitzung besteht aus Lesen, Reflektieren, Ausdrücken und Schreiben.
Donnerstag, 10:00 - 13:00Uhr
Beginn: 12.10.2023Ort: Seminarraum ATTP (AP01.24)
Für die Benotung ist die aktive Teilnahme am Unterricht und die Durchführung der Übungen ausschlaggebend. Bewertet wir die Fähigkeit, sich mit den Konzepten und Inhalten des Kurses auf innovative Weise auseinanderzusetzen. Die Studierenden sollten in der Lage sein, verschiedene Formate und Gattungen des Schreibens zu unterscheiden und zu artikulieren. Die wöchentlichen Übungen werden in den Sitzungen vorgestellt und besprochen, und die Studierenden haben Zeit, sie für die finale Abgabe zu überarbeiten.
Borges, Jorge Luis: Labyrinths. Selected Stories & Other Writings, Buenos Aires 1964Borges, Jorge Luis: The book of sand, New York 1977Braidotti, Rosi; Hlavajova, Maria (Hg.): Posthuman Glossary, London; New York 2018Erben, Dietrich (ed.): Das Buch als Entwurf: Textgattungen in der Geschichte der Architekturtheorie. Ein Handbuch, Paderborn 2019Ishigami, Junya: Another Scale of Architecture, 2019Klee, Paul: Notebooks. The thinking eye, London 1961Pallasmaa, Juhani; McCarter, Robert: Understanding Architecture. A Primer on Architecture as Experience, London 2012
