Entwerfen WS 2023: ZWISCHENLAND
Oggau, Gemeinde im Nordburgenland
„Die Verbindungen zwischen moderner und volkstümlicher Architektur sind vergleichbar mit denen zwischen moderner und volkstümlicher Musik… Sowohl in der Architektur als auch in der Musik sind Form, Rhythmus, Proportionen und Mathematik von elementarer Bedeutung, was die Möglichkeit vergleichbarer Studienmethoden nahelegt.“
Steven Holl, Pamphlet Architecture Nr.9, New York, Dezember 1982
In dieser Entwurfsaufgabe geht es um ZUBAUTEN, die eine Hauserweiterung um einen Arbeitsbereich darstellen. Ziel ist die sensible und komplexe Verortung in einer generisch gewachsenen ländlichen Struktur.
Die Wohnhäuser im Burgenland, in einem ZWISCHENLAND auf dem Weg von Wien Richtung pannonischer Tiefebene, spiegeln mit ihren typologischen Variationen die gesamte Komplexität der dort zusammenlaufenden Einflüsse wider. Die volkstümliche Architekturtradition zeigt uns einen ganzen Schatz kultureller, soziologischer und religiöser Einflüsse, die unsere kulturelle Identität formten. Sie übte über einen langen Zeitraum Einfluss sowohl auf mitteleuropäische Wohnbaumodelle als auch auf die Wohnkultur in den vergangenen Jahrhunderten aus. AnonymeBeispiele mit ihrer hohen künstlerischen und architektonischen Qualität dienen als unerschöpfliche Inspirationsquelle für die vielen ökologischen Fragestellungen der heutigen Zeit. Ihre massive Bauweise zeichnet den vertrauten Rahmen einer traditionellen Stadt aus.
Per definitionem umfassen solche Baukonstruktionen jene, bei denen keine Trennung zwischen tragender und raumabschließender Funktion existiert. Ihre Bauweise leitet die strukturell-konstruktiven Aspekte der Gebäude in eine selbstverständliche Ästhetik über. Das Material bewirkt allerdings nicht nur eine haptische und sinnliche Wirkung beim Nutzer, sondern macht sich die Energiespeicherfähigkeit des Materials im Sinne des Komforts ebenso wie die Energieeffizienz zunutze.
Im Semester verfolgen wir drei Synchrone Aufgaben:
1. Konstruktive Aspekte und Raum: Der Bezug zu konstruktiv-räumlichen Aspekten setzt Wissen über die Vergangenheit und eine genaue Struktur- und Materialanalyse der ländlichen Wohnhaustypologien voraus. Ein architektonisches Werk zu untersuchen bedeutet, sein Wesen zu verstehen und anzuwenden. Der synchrone Einsatz der gewonnenen Erkenntnisse und Themen sollte durch die Verbindung von Materialien und Praktiken, mitunter einem hohen Anteil an Handwerk, die Angewandte Methodik bilden.
2. Die Gestaltung eine radikalen Symbiose zwischen dem neuen und alten Teil: Der Entwurf inkludiert danach eine komplexe Auseinandersetzung mit Inhalt, Form, Material und Konstruktion.
Die Übung wird sich der Entstehung einer neuen Materialkultur der Zukunft widmen - eine harte, aufwendige und komplexe Aktivität.
3. Die gezielte Verortung in Burgenländischen Ort Oggau ist eine Aufforderung zum Dialog mit dem Bestand aber eine Symbiose ohne Enge. Wir wollen Lebensstrukturen schaffen, die nicht als Strukturen der Stadt-Erweiterung funktionieren, sondern der Aufwertung eines qualitätsvollen Zusammenlebens abseits der urbanen Metropolen dienen.
Die Lehrveranstaltung ist ein Teil des Semesterentwerfen »Radikale Symbiose 1« des Forschungsbereichs Hochbau und Entwerfen (HB1) an dem fünf Gruppen beteiligt sind. Gemeinsam wird eine Exkursion nach Burgenland und Steyr Mitte Oktober organisiert (siehe unten). Außerdem werden zwei gemeinsamen Zwischenpräsentationen in November und Dezember sowie eine Schlusspräsentation in Januar zusammen durchgeführt.
Literatur:
Bundesdenkmalamt (Hg.), Die Kunstdenkmäler Österreichs. Dehio Burgenland, Wien/Horn 2011.
Fröch K., Gmoa. Das Dorfpflegezentrum in Pöttelsdorf, Wien 2015.
Kleemaier-Wetl R., Baukulturelles Erbe versus Klimaschutz und Modernität. Am Beispiel des Welterbegebietes Fertö-Neusiedler See, Zürich 2015.
Pàlffy A., Village Textures, Wien 2014.
Rainer R., Anonymes Bauen im Nordburgenland, Wien/Köln/Weimar 1995.
Mayer V., Burgenland. Bau- und Wohnkultur im Wandel, Wien 1993.
Schmidt H., Grundsatzprojekt und Adaptierung traditioneller bäuerlicher Bauten an Hand von Beispielen im
südlichen Burgenland, Ritzing 1985.
Wallner W., Typologische Untersuchung der bäuerlichen Wohnbauten im Burgenland und die Entwicklung
eines regionalen Wohnhaustyps, Wien 1985.
Kräftner J., Naive Architektur in Niederösterreich, St. Pölten/Wien 1981.
Kaitna W./ Reichel R./ Smetana K., Katalog baulicher Merkmale im nördlichen Burgenland, Wien 1978.
Haberlandt A., Volkskunde des Burgenlandes. Hauskultur und Volkskunst, Baden 1935.