Nach positiver Absolvierung der Lehrveranstaltung sind Studierende in der Lage, konstruktiv und bauphysikalisch funktionierende Bauelemente zu entwickeln, die in der gängigen Baupraxis standardisierte Bauweisen durch innovative Lösungen hinterfragen. Sie können materialbedingte Vorgaben in Beziehung mit räumlichen Prinzipien stellen und diese in technisch-konstruktiven Details ausformulieren. Dabei sind sie in der Lage, Konstruktionsweisen unterschiedlicher Baustoffe in direkte Verbindung mit deren ökologischen Aspekten zu bringen und diese in einer gesamtheitlichen Betrachtung der Energieeffizienz (CO2-Bilanz, Graue Energie, Speicherfähigkeit, Resilienz, …) vergleichend zu untersuchen. Durch eigenständige Recherchen können die Studierenden Wechselbeziehungen zwischen dem einzelnen Bauelement und dem städtebaulichen Körper aufstellen und durch dokumentarische Analysen einzelner Stadtbausteine nachvollziehen. Sie sind in der Lage, bestehende Strukturen architektonisch und planerisch zu erfassen sowie Entwurfs- und Konzeptthesen in Plan, Bild und Text zu erstellen und umfassend zu präsentieren.
Großes Entwerfen Stadtmonolith – Die archetypisch-monolithische Wand
Mit den Ölkrisen der 1970er Jahre beginnt im Bauen ein Umdenken. Seither wird der Schichtaufbau von Außenwänden mit dem Ziel größerer Energieeffizienz eingesetzt, um steigende gesetzliche Anforderungen an die Wärmedämmung zu erfüllen und gleichzeitig die wirtschaftlich verwertbare Nutzfläche durch schlanke Wände zu optimieren. Das Mantra der Schichtung -Tragende Wand, Wärmeschutz, Abdichtung- in Form hochspezialisierter Baustoffe dominiert so die heutige Baupraxis und reduziert die ökologische Frage weitgehend auf eine abstrakte Wärmeleitwert-Messung.
Doch zunehmend wird seit den 1990er Jahren das Thema Massivität im Bauwesen wiederentdeckt. Im Gegensatz zur hochgradig technisierten Schichtung heterogener Baustoffe entwickelt sich eine neue Diskussion um das einfache Bauen in homogenem Material, das zugleich trägt und dämmt, im besten Fall auch abdichtet: die archetypisch-monolithische Wand. Das Gebäude aus einem Material, aus Holz, Stein, Beton, Ziegel, Lehm oder neuerdings auch aus Glas hält zunehmend Einzug in das zeitgenössische Bauen.
Das Entwerfen analysiert diese Lösungsmethoden homogener Konstruktionen von Grund auf und entwickelt durch Hinterfragen gängiger bauphysikalischer, baurechtlicher und architektonischer Festlegungen neue Ansätze im monolithischen Bauen. Dabei werden sowohl konstruktive als auch materialbezogene und atmosphärische Aspekte mit räumlichen Fragestellungen des Massivbaus in Beziehung gebracht und über das Bauteil hinweg auf den architektonischen Raum und die Stadtmorphologie reflektiert.
Die Grundlage dabei ist, die Massivität des Baukörpers als Figur im umgebenden Raum der Stadt zu betrachten. Schon seit dem Cinquecento sind diese Überlegungen Basis einer räumlichen Diskussion, welche die europäische Stadt in ihrer Entwicklung betrifft. Über das Konstruktive hinaus wird der Gebäudekörper als massive Präsenz in der Stadt, als Stadtmonolith thematisiert und zugleich der urbane Raum als positive Figur in der Baumasse, als Stadtmorphologie gelesen.
Die Lehrveranstaltung wird als Teil einer auf mehrere Semester ausgelegten Forschung zum monolithischen Bauen angesetzt. In einem ersten Schritt soll dabei im Wintersemester 2020/21 der Fokus auf monolithische Bauweisen in Holz und Beton gelegt werden. Die Auseinandersetzungen finden dabei stets in einem Wechselspiel zwischen konstruktiv-bauphysikalischem Detail und stadtmorphologischer Analyse statt.
Im ersten Schritt werden mit Hilfe von Diskussionen, Recherchen und Impulsvorträgen zunächst die Grundlagen zu einer monolithischen Baukonstruktion zusammengetragen und im Weiteren nach konstruktiv-räumlichen Kategorien analysiert. Dabei sollen die Themen Formen, Fügen, Ordnen und Brauchen behandelt und räumlich formuliert werden.
Diesen Analysen werden Recherchen zur Stadt entgegengesetzt. Auf Grundlage von Theoriearbeiten wie Kevin Lynchs The Image of the City (1960), Robert Venturis Complexity and Contradiction in Architecture (1966), Aldo Rossis Architettura della Città (1966), Colin Rowes und Fred Koetters Collage City (1978) und Oswald Mathias Ungers Thematisierung der Architektur (1983) werden hierzu mittels Stadtspaziergängen, Recherchen, skizzenhaften und planlichen Dokumentationen morphologische Stadtanalysen in Wien durchgeführt.
Aufbauend auf die Recherchen werden darauffolgend Bauelemente formuliert, die unabhängig von einem konkreten Standort ein mögliches Bauprinzip und einen Übergang, eine Schwelle (innen – außen, Fundament-Wand-Decke, etc.) thematisieren. Die zuvor analysierten Themengruppen sollen zusammenfassend in einem Element münden.
Gleichzeitig führen die Stadtanalysen zur Recherche konkreter ausgesuchter Stadtsituationen und ihrer Raumsequenzen. Diese werden in ihrer Wechselwirkung mit der Umgebung und im Hinblick auf räumliche Prinzipien hin analysiert und mittels Plänen und Modellen dokumentiert. Es werden stadträumliche Prinzipien herausgefiltert und in einem orstunabhängigem Stadtbaustein formuliert.
Im letzten Schritt kommen alle Recherchen und Ausformulierungen sowohl im Detail- als auch im Stadtmaßstab in einer schriftlich formulierten, architektonischen Konzeptthese (Raummanifest) zusammen. Diese nimmt einen konkreten Entwurf vorweg und kann in unterschiedlicher Form wie einem Essay, einem Thesenpapier, einer Konzeptbeschreibung, einer Parabel usw., jeweils mit zeichnerischem Teil und mit Text, dargestellt werden.
Die Lehrveranstaltung wird unter Beteiligung von institutsübegreifenden sowie externen ExpertInnen durchgeführt. Lehrbeauftragt sind dabei Arch. DI Sven Matt und DI Simon Moosbrugger vom Büro Architekten Innauer Matt, Bezau sowie DI Günter Meusburger (Ingenieurbüro für Bauphysik, Schwarzenberg), Prof. DI Peter Bauer und DI Dr. Kamyar Tavoussi (ITI, TU-Wien).
Aufgrund der derzeitigen Situation und den behördlichen Vorgaben bzgl. des Corona-Virus (COVID-19) wird die Lehrveranstaltung Großteils digital im Distance-Learning über das Programm ZOOM abgewickelt. Einzelne, ausgewählte Termine finden voraussichtlich als Präsenztermine unter Einhaltung der vorgegebenen Sicherheitsvorkehrungen in den Räumlichkeiten der Universität statt.
Detailgenaue planerische, diagrammatische und systematische Darstellungen eines Bauelements im Maßstab 1:20 bis 1:1. Fassadenschnitte, Details, Axonometrien, räumliche und konstruktive Prinzipdarstellungen, Modelle.
Planerische Dokumentation eines Stadtbausteins und der dazugehörigen Stadtsequenz im Maßstab 1:1000 bis 1:100. Lagepläne, Nollipläne, Grundrisse, Schnitte, räumliche Prinzipdarstellungen, Modelle.
Schriftliche, zeichnerische und bildliche Konzeptthese.