Nach positiver Absolvierung der Lehrveranstaltung sind Studierende in der Lage ingenieurkünstlerische Fähigkeiten anzuwenden.
Die Entscheidungen des Ingenieurs/der Ingenieurin über Tragwerkstypen, Bauteildimensionen und deren Proportionen haben enorme Auswirkungen auf das äußere Erscheinungsbild von Bauwerken und infolgedessen auch auf unseren Lebensraum. Insbesondere im Infrastruktur- und Brückenbau, aber auch bei anderen konstruktionsdominierten Bauwerken wie weitgespannten Dächern und Türmen wird diese Verantwortung oft unterschätzt oder gar nicht wahrgenommen.
Das Ziel dieser Lehrveranstaltung ist Studierenden zu helfen, das kreative Potential der Ingenieurtätigkeit zu entdecken bzw. das Empfinden für Formsetzung zu schärfen, um sich der o.g. Verantwortung angemessen stellen zu können.
Das Ziel wird in folgende Unterziele gegliedert:
- Bewusstmachen des breiten Einflusses der Ingenieurtätigkeit;
- Studierende zum Nutzen ihres kreativen Potentials innerhalb der Ingenieurstätigkeit ermutigen, das auf historische Beispiele der Ingenieurbaukunst gründet;
- Verstehen der Zusammenhänge von Form und Funktion;
- Entwickeln von kreativen Fähigkeiten und Kompetenzen, um sinnvolle und ästhetisch qualitätsvolle Ergebnisse aus den Rahmenbedingungen des Ingenieurswesens zu schaffen;
- Entwickeln von konzeptionellen konstruktiven Ideen, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Funktionalität und der Ästhetik entsprechen;
- Schärfung eines ästhetischen Feingefühls, um bewusste Formsetzung im Zuge des Entwurfsprozesses umsetzen zu können;
- Schulen der Wahrnehmungseigenschaften mit dem Ziel diese in den Entwurfsprozess zu integrieren;
- Entwickeln einer kritischen und qualitativen Argumentationsfähigkeit um eigene Entwurfskonzepte entsprechend schriftlich und mündlich zu kommunizieren und zu verteidigen.
Sieben Vorlesungseinheiten mit folgendem Inhalt:
1. Einführung in die Ingenieurformkunst:
Einleitung – Ziele der LVA – Die 3 Grundsätze des Ingenieurentwurfs – Kreativität im Ingenieurentwurf – Warum Ästhetik? – Neue Potentiale in der Ingenieurstätigkeit – Ingenieurwesen und Gestaltung – Der ingeniöse Entwurfsweg – Der Prozess von Tragen und Lasten – Die Pyramide des Formausdrucks
2. Geschichte von Form und Konstruktion:
Das Verhältnis von Form und Konstruktion im historischen Kontext –griechi:chen Antike – römischen Antike – Gotik – 19. Jahrhundert – Die Moderne – Die Postmoderne – High tech – Status quo
3. Formlogik 1:
Lernen von natürlichen Prozessen – Bötticher: Kern- und Kunstform – Material und Form Stein, Beton, Holz, Stahl – Funktionseinheiten – Visualisierung des Kraftflusses – Konstruktive Elemente und Form: Stützen, Balken, Bogen, Seile, Gewölbe, Membrane, etc.
4. Formlogik 2:
Übertragung des oben angesprochene auf aktuelle Ingenieuraufgaben
5. Formdynamik 1:
Einführung in die Wahrnehmungspsychologie – Geometrisch-optische Täuschungen – Der Wahrnehmungsausdruck – Wahrnehmungskräfte und -spannungen – Gravitation – Kräftegleichgewicht – Proportionen – Schräge und Krümmungen
6. Formdynamik 2:
Anwendung von Formdynamik auf Konstruktionen – Ziehen von statisch-konstruktiven Vorteilen aus der Formdynamik – Möglichkeiten von visuellen Verfeinerungen auf der Basis von statisch-konstruktiven Ansätzen – Spielen mit den Werkzeugen des Ingenieurwesens am Beispiel von Überführungsbrücken
7. Formkunst:
Zeigen von Formkunst als Disziplin, bei der ein künstlerischer Ausdruck innerhalb der Grenzen einer Ingenieursaufgabe erzeugt werden kann. Beispielhaft werden mehrere außerordentliche Bauwerke diskutiert.
Übung:
In ca. 3 Übungseinheiten sollen Studierende in Kleingruppen einen Vorentwurf einer typischen Ingenieursaufgabe erstellen mit dem Fokus auf einer individuell-kreativen Darstellung des Tragverhaltens in der äußeren Form. Die Ingenieursaufgabe wird jedes Jahr neu formuliert (Brücke, Turm, weitgespannte Dächer, Tunnelportal etc.) und schließt eine Kurzstatik und Präsentationsunterlagen ein.
Die Vorlesungseinheiten werden mit gebauten Beispielen von z.B. Hennebique, Maillart, Finsterwalder, Leonhardt, Nervi, Torroja, Morandi, Menn, Schlaich, Pauser veranschaulicht. Die Bearbeitung der gestellten Aufgaben findet unter der direkten Betreuung durch den Lektor statt.
Den Terminplan und die Erläuterungen für die Lehrveranstaltung finden Sie unter Unterlagen.
Der Leistungsnachweis erfolgt über eine Bewertung einer Präsentation in Form eines Plakats und/oder eines Modells mit anschließender Diskussion.
Studierende sollen über grundlegendes Wissen über statisch-konstruktive Zusammenhänge in Tragwerkslehre, Stahlbau, Holzbau und Stahl- und Spannbeton verfügen. Nur auf Basis dessen können ingenieurkünstlerische Fähigkeiten gelehrt werden.